Sternfahrt zur 41. Giro delle Dolomiti:
In diesem Jahr haben 7 Hövelhofer Radsportler (Martin, David, Benny, Dietmar, August, Erik, Günter) aktiv an der Giro teilgenommen. Begleitet wurden wir noch von unseren Fans (Anna, Sandra, Jakob) und einem Gast(Günther) aus Willingen.Im Frühjahr fragte mich David, ob ich nicht Lust hätte, mit dem Rad über Mellau zur Giro anzureisen. Ich fühlte mich sehr geehrt, überlegte nicht lange, und machte mich an die Planung zur Sternfahrt nach Bozen. Über Mellau sollte es gehen, da wir dort die letzte Gelegenheit hätten, die Hövelhofer KJG im Stadl besuchen zu können.
Die ca. 1000km lange Anreise sollte in 7 Tagen bewältigt werden. Nach Teilung der errechneten ca.15.000 Höhenmeter und Suche von geeigneten Unterkünften, ergaben sich die Etappen: E1 bis Alsfeld, E2 bis Werbach, E3 bis Gingen a.d.Brenz, E4 bis Mellau, E5 bis Saas(CH), E6 bis Tschierv(CH), E7 bis Frangart bei Bozen(I).
Es ging durch 5 Länder( Deutschland, Österreich, Lichtenstein, Schweiz, Italien) und 5 Alpenpässe: Furkajoch(1761m), Wolfgang Pass, Flüelapass(2383m), Ofenpass(2149m), Stelvio(2757m).
Mit jeweils 3kg Gepäck in der Satteltasche machten wir uns eine Woche vor dem Start der Giro auf den Weg. Unterwegs musste ich mehrfach erklären, das ich nicht der Vater von David sei.
Am zweiten Tag wurden wir bei der Suche nach einem Mittagsessen, spontan von einer Geburtstagsgesellschaft eingeladen, die wir natürlich gerne annahmen.
In der "Schäbischen Alb" wurde die Nahrungsaufnahme zu einem Problem. Wir kamen nur durch Geisterorte wie Hausen ohne Einkaufsmöglichkeiten. Eine Frau, die uns verstand, gab uns schließlich den Tipp, das es in Blaufelden, "Alles" gäbe. Wir machten einen kleinen Umweg, um zu diesem Schlaraffenland zu gelangen. Dort angekommen fanden wir schließlich statt Pizzeria eine Fleischerei mit Mittagstisch. Da dieser unseren riesen Hunger nicht befriedigen konnte, bestellten wir zum Nachtisch noch zwei Riesen Chili-Leberkässemmeln.
In Gingen ließ uns der Hotelier erst fahren, nachdem er ein Foto von uns für die lokale Presse gemacht hatte.
Kurz vor erreichen der österreichischen Grenze mussten wir uns zum ersten mal die Regenjacken anziehen, die wir dann auch erst am Folgetag in Lichtenstein wieder ausziehen konnten. Die ganze Vorarlberg Region war ein großes Regenloch. Bei der KJG Jugend in Mellau herrschte trotz der nicht so prickelnden Wetterlage, eine gute Stimmung. Nach Überquerung des Stelvio wurde das Abfahrtvergnügen leider durch eine Baustelle und hohes Verkehrsaufkommen getrübt.
Im Vinschgau mussten wir uns erstmal an Temperaturen von über 30 Grad gewöhnen.
Freitagnachmittag erreichten wir schließlich, wie geplant, das Hotel Sigmundskron, wo wir von den mit dem Auto angereisten Hövelhofern herzlich begrüßt wurden.
Der Samstag vor Beginn der 41. Giro wurde mit Abholung der Startunterlagen, Radpflege, Erholung am Pool und gepflegtem Dinieren verbracht. Der Hotelier Chistoph verteilte die Reste des Menüs zunächst erst immer ungefragt bei "den mit dem Rad angereisten Gästen".
Davids Bericht von der 41. Giro delle Dolomiti:
Freitag – Ankunft im Mannschaftsquartier
Freitag, 28. Juli 2017, Bozen, Südtirol. Es ist ein sonniger
und ruhiger Morgen, auch am Fuße der Burg Sigmundskron im gleichnamigen Sporthotel.
Noch deutet nicht viel auf das sportliche Großevent hin, das hier in den
folgenden Tagen die umliegenden Berge in pulsierende Wettkampfarenen verwandeln
wird. Die jährliche Dolomiten-Rundfahrt, der „Giro delle Dolomiti“ soll in der
kommenden Woche hunderte Rennradler nach Bozen ziehen.
Für die meisten Hotelbewohner ist noch nicht einmal
Frühstückszeit, da rollt ein PKW mit Paderborner Kennzeichen und vollgepackt
mit Rennrädern, Werkzeug, Energieriegeln, Trikotsätzen und natürlich August und
Martin, den hochmotivierten ersten Rennfahrern der RSG Hövelhof vor – für die
kommenden neun Tage planmäßig die letzten Meter die motorisiert zurückgelegt
werden sollen.
Zur gleichen Zeit knapp 100 Kilometer weiter westlich in
Santa Maria im Münstertal denkt man nicht an motorisierte Fortbewegung. Zwei
weitere hochmotivierte (einige sagen auch übermotivierte) Mitglieder der RSG
Hövelhof, Günter und David, starten ihre letzte Etappe der Anfahrt nach Bozen.
Mit dem Rennrad, klar. Schon sechs Etappen mit fast 1.000 Kilometern und ca.
13.000 Höhenmetern haben sie seit ihrem Start in Hövelhof am vorangegangenen
Samstag hinter sich gebracht. Am Ende des zweiwöchigen Rad-Abenteuers sollen es
fast 2.000 Kilometer und 30.000 Höhenmeter werden. „Wer Radrennen fahren will,
der kann doch auch mit dem Rad anreisen.“, so ihre Überlegung. Bei ihrem
Fünf-Länder-Giro durch Deutschland, Österreich, Liechtenstein und die Schweiz
bis nach Italien haben sie bereits diverse Mittelgebirge und mit dem Furkajoch,
dem Wolfgangpass, dem Flüelapass und dem Ofenpass auch schon einige „ernsthafte
Hindernisse“ überwunden. Die endgültige Wettkampfhärte wird dann auf der
letzten Etappe der Anfahrt mit dem Umbrailpass und der Königin der Pässe, dem
Stilfser Joch, erfahren.
Es sollen noch einige Stunden vergehen bis sich die beiden
Duos treffen. In der Zwischenzeit sind mit Dietmar und Benny zwei weitere
Fahrer im Mannschaftsquartier Sigmundskron eingetroffen. Begleitet von den
Fahrer-Frauen Anna und Sandra und dem jüngsten Nachwuchsfahrer – Jakob sitzt
mit vier Monaten zwar noch nicht selbst auf dem Rad, wird die Rennathmosphäre
aber Tag für Tag in sich aufsaugen und aufmerksam dem Fachsimpeln der Fahrer
nach den Rennetappen lauschen. Mit Günther Jentsch ist auch der Gastfahrer des
Nachbarvereins Rad-Treff Borchen mit den Hövelhofern angekommen, der im
gehobenen Alter von 70 Jahren den Giro delle Dolomiti mehr als 30 Jahre nach
seiner ersten Teilnahme noch einmal bestreiten möchte und sich dafür der
bekanntermaßen geselligen Radsportgemeinschaft Hövelhof angeschlossen hat.
Am späten Nachmittag ist es dann soweit. Die Hövelhofer und
weitere radsportliche Gäste des Hotels empfangen Günter und David, die nach
jetzt über 1.000 Kilometern ihr Zwischenziel erreicht haben. Anerkennung und
ungläubige Fragen mischen sich. „Seid ihr wirklich mit dem Rad hergekommen?
Wahnsinn!“ stellt ein Sportsfreund kopfschüttelnd fest. „Auch für euch steht
der Giro doch erst noch bevor!“ Recht hat der Mann. Das Team ist damit fast
vollständig. Nur Erik wird erst am nächsten Tag erwartet. Ein voller
Terminkalender fordert zwar etwas Flexibilität, hält ihn aber nicht von der
Teilnahme ab. Denn die RSG hat „Bock auf Berge!“
Samstag – Letzte Vorbereitungen auf die Rundfahrt
Der Samstag dient nur noch der Vorbereitung. Startunterlagen
abholen, Räder präparieren, Streckenpläne und Höhenprofile studieren. Die
Spannung im Team steigt am Tag vor der ersten Etappe. „Wie viel Bar fährst du?“
„Wie steil wird es morgen? Reicht wohl meine Übersetzung 36-28?“ Im Motorsport
hieße das wohl Benzin-Gespräche, hier gibt’s nur Muskeln! Aber auch die
brauchen Treibstoff! Also Kalorien tanken nicht vergessen. Am Besten im Café
der Konditorei Peter Paul in Sankt Pauls. Ein Geheimtipp für jeden Freund von
Eis und Sahneschnitten!
Auswärtige Verköstigung, die eigentlich vollkommen
überflüssig ist. Kurz nach der süßen Völlerei steht schon das Abendessen im
Hotel auf dem Plan.
Wie immer ein vorzügliches Vier-Gänge-Menü perfekt
abgestimmt auf die Bedürfnisse der Radsportler. Während des Essens stößt dann auch
Erik zur Gruppe. Angereist mit Flugzeug, Bahn und Taxi – weil sich keiner von
der köstlichen Abendverpflegung lösen kann, um ihn vom Bahnhof abzuholen. Sorry
nochmals Erik! Aber du hast ja selbst schnell festgestellt, dass es sooo schade
um das lecker Pfifferlingsrisotto gewesen wäre. Und nach dem Essen? Ab ins
Bett! Schlafenszeit für ambitionierte Sportler – und die, die es noch werden
wollen.Sonntag – Erste Etappe mit neuer Teamkooperation
Am Morgen der ersten Etappe hat Hotelwirt Christoph wie immer
alles auf „seine“ Radfahrer ausgerichtet. Schon ab 6.45 Uhr steht das
reichhaltige Frühstücksbuffet bereit. Trotz das es früher Morgen ist, ist
nichts von Müdigkeit zu spüren. Spannung, leichte Nervosität und vor allem
Vorfreude liegen in der Luft. Bunte Trikots wirbeln am Buffet durcheinander.
Jeder weiß genau, was sein Körper für die anstehenden Strapazen des Tages
benötigt. Müsli, Melonen, Vollkornbrötchen, Eier, Joghurt – fast rituell spulen
die Fahrer ihre Nahrungsaufnahme ab. Und schon fällt eines auf: die strahlenden
Schwarz-Rot-Gelben Trikots der Hövelhofer stechen hervor, wirken deutlich
stärker vertreten als sie es zahlenmäßig tatsächlich sind. Ein Effekt der sich
später im Fahrerfeld fortsetzen soll.
Dann heißt es aufsatteln und locker zum Messegelände rollen,
von wo aus die Etappen gestartet werden. Immer noch ist es deutlich vor 8.00
Uhr, eine Uhrzeit zu der sich die meisten am Sonntagmorgen normalerweise noch
einmal im warmen Bett von der linken auf die rechte Seite drehen würden. Aber
ein warmes Bett vermisst hier keiner, denn auch an der „frischen“ Luft
erreichen die Temperaturen schon gute 20 Grad. „Herrlich warm“ wird
festgestellt. „Herrlich kühl“ wäre die richtigere Einschätzung, wie die Hitze
der nächsten Tage zeigen wird.
Am Messegelände warten bereits hunderte Rennfahrer, scharren
mit den Clicks und warten ungeduldig, dass der „Giro delle Dolomiti 2017“
endlich losgeht. Megafone und Lautsprecher dröhnen, das Feld steht dicht
gedrängt vor dem Startbogen, im Hintergrund türmen sich bereits die ersten
Berge auf, Kameras und Fotograf halten den Moment fest – eine beeindruckende
Atmosphäre, insbesondere für die ca. 300 Erststarter die sich im 600 Teilnehmer
starken Feld befinden.
Endlich geht es los! Abgeschirmt von beflaggten Autos und Motorrädern
setzt sich die Karawane in Bewegung. Überraschend langsam für ein Radrennen.
Kein Wunder, das Feld fährt neutralisiert.
Die Besonderheit der
Dolomiten-Rundfahrt ist es, dass bei jeder Etappe nicht die Gesamtzeit gewertet
wird, sondern nur ein zeitgemessenes Teilstück in die Gesamtwertung einfließt.
In der Regel ein um die 10 Kilometer langes Steilstück – mal etwas kürzer, mal
etwas länger. Hier haben die Fahrer Zeit ihre Kräfte zu messen und sich zu
verausgaben. Für den Rest der Etappe steht das Fahren in einer der
wunderschönsten Berglandschaften der Erde im Vordergrund. Die Blicke können über die Gipfel und Täler schweifen und müssen nicht kontinuierlich am Hinterrad des Vordermanns kleben. Auch die langen und teils sehr steilen Abfahrten verlieren auf diese Weise etwas von ihrer Gefährlichkeit. Trotzdem soll der Tag noch zeigen, dass auch bergab höchste Konzentration gefordert ist! Aber bevor es bergab geht, steht erstmal „bergauf“ im Lastenheft. 50 Kilometer sind es heute – bis zur steilen Zeitmessstrecke. „Relativ flach“ geht es bis nach Brixen das Eisacktal hoch. Was „relativ flach“ in dieser Region bedeutet, wird der ostwestfälische „Flachlandtiroler“ spätestens nach diesem Tag wissen. Die „kleinen Wellen“ der Anfahrt würden rund um Hövelhof wohl schon als gestandene Hügel bezeichnet.
Dann geht es richtig hoch. Hoch auf die Plose. Das Ziel ist
die Bergstation der Plosebahn, die Zeitmessstrecke beginnt in St. Andrea, dem
Talort der Liftanlage. Oben angekommen werden alle wissen, welche Mühen man
sich mit so einem Lift ersparen kann. 15 Kilometer und 1000 Höhenmeter lauten
die Rahmendaten der Wertung.
Als August oben ist, trauen die bereits
angekommenen Teamkollegen ihren Augen nicht. Er fällt spontan auf die Knie und
huldigt dem Berg!? Die kurze Fehlinterpretation löst sich schnell auf. Von
Krämpfen geplagt hat er die letzten Kilometer bewältigt, sich aber nicht von
der Jagd nach einer guten Zeit abbringen lassen. „Zu wenig Salz“, lautet die
kurze Analyse. „Das passiert mir nicht nochmal!“ Erik geht den Wettkampf
entspannter an. Für ihn gilt „Dabei sein ist alles!“ und so muss auch mal ein
wichtiger Rückruf während der Zeitmessung erfolgen („Auf der Nummer kriege ich
nur ganz wenige Anrufe. Das ist dann schonmal dringend und dann rufe ich auch sofort
zurück.“). Unglücklich ist dann allerdings, dass bei seiner Ankunft das bereits
zur Abfahrt aufgestellte Fahrerfeld die komplette Zeitmesstechnik blockiert und
Erik ohne Zielzeit schon am ersten Tag aus der Gesamtwertung fällt. So what? Zu
gewinnen gibt es sowieso nichts.
Nachdem der höchste Punkt der Etappe geschafft ist, heißt es
genießen. Die Geißlerspitzen zeigen bei herrlichem Sonnenschein ein
Bergpanorama wie im Bilderbuch.
Scharen von fotografierenden Radsportlern am
Straßenrand zeigen, dass hier nur wenige den Wettkampf in den Vordergrund
stellen. Jeder weiß das Privileg zu schätzen, fähig zu sein in dieser Region
Rennrad fahren zu können.
Und dann geht es runter. Eine rauschende Abfahrt! In der
Etappenbeschreibung formuliert es der Veranstalter so: „Die lange, steile und
enge Abfahrt durch das Vinössertal verlangt Konzentration.“ Leicht gesagt, aber
es liegen bereits einige anstrengende Stunden im Sattel hinter den Fahrern. Und
so versteuert sich Erik bei Tempo 65 in einer Kurvenkombination, schlägt in der
Böschung ein und kommt zum Sturz. Geistesgegenwärtig räumt er sofort die
Unfallstelle, so dass die folgenden Fahrer ungehindert passieren können. Einige
Teamkollegen die sich unmittelbar hinter ihm befanden, eilen sofort zur Hilfe.
„Alles ok?“ wird natürlich nach der Gesundheit des Fahrers gefragt. Zum Glück
gibt es keine größeren körperlichen Blessuren. Das Rad ist allerdings nicht
mehr fahrtauglich. Der für Erik schon fast gewohnte Laufradschaden macht die
Weiterfahrt unmöglich und so ist es gut, dass auch ein Begleit-Bulli des Team
RSC Niddatal gehalten hat. Durch die Hilfsbereitschaft der Kollegen ist der
Transport zum Ziel somit schnell organisiert. Zur gleichen Zeit und nur wenige
hundert Meter weiter hat auch Martin die Abfahrt kurzzeitig unterschätzt. Zu
spät gebremst, das Hinterrad blockiert, der Reifen geplatzt und schon kommt es
zum Sturz. Mit Glück im Unglück hält die Leitplanke Martin auf der Strecke. Der
Einschlag schmerzt, aber ein weiterer Fahrer, der an der gleichen Stelle stürzt,
hat weniger Glück. Er wird über die Leitplanke katapultiert und fällt den
dahinter befindlichen Abhang mehrere Meter herunter. So hat Martin nur kurz
Zeit sich um seinen eigenen Zustand zu kümmern und klettert stattdessen zu dem
verletzten Kollegen herunter und leistet hier erste Hilfe. Nachdem die
medizinische Versorgung organisiert ist, ist allerdings Martins Weiterfahrt
noch nicht organisiert. Wie es der Zufall will, hat das Team Niddatal einen
weiteren Bulli und der hält – Na wo? - genau an der zweiten Unfallstelle und
bietet Martin die Mitfahrt an. Ohne von ihren jeweiligen Stürzen gegenseitig
gewusst zu haben, finden sich Erik und Martin also in den direkt hintereinander
ins Tal fahrenden beiden Bullis des RSC Niddatal wieder. Erik, erkennt die Situation,
ruft Martin im vorderen Bulli an und fragt nach seinem Wohlbefinden. Da es
beiden bis auf Schürfwunden und Prellungen gut geht, kehrt nach dem ersten
Schock so wieder die berühmte gute Laune der Hövelhofer zurück, die mit
deftigen Witzen über das eigene Missgeschick garniert wird. Den Gipfel findet
Martin dazu beim Etappenabschluss-Essen in der Messehalle. Nach ausgiebigen
Schilderungen des Sturzgeschehens stellt er fest, dass die Vereinskleidung wohl
den Zusatz „extrem reißfest“ verdient hätte. Trotz des meterweiten
Asphaltrutschers konnte er noch keine Schäden feststellen. Das übernahmen dann
David und einige junge Damen. Als alle vom Essen aufgestanden waren, meinte
David sich zu erinnern, dass Martins Hintern bei der Abfahrt am Morgen noch
nicht vollständig freigelegt gewesen sei. Auch die Mädels am Nachbartisch
signalisierten durch ihr lautes kichern, dass die rückseitige Lüftungsöffnung
von Martins Hose vielleicht etwas groß geraten war.
Der Rest des Tages wurde dann natürlich genutzt, um Körper
und Material wieder auf Vordermann zu bringen. Die einen mit Mechaniker und
allerlei Salben, die anderen nur im kühlen Nass des Pools, der bei jetzt fast
40 Grad die dringend benötigte Abkühlung brachte.
Nass kam es beim Abendessen dann auch noch von oben. Die
Rennanalysen waren im vollen Gange als ein ganz anderes Schauspiel die volle
Aufmerksamkeit auf sich zog.
Eine Gewitterfront mit Kino-Qualität überlagerte
die gesamte umliegende Bergwelt mit bedrohlichen Wolkentürmen und -walzen.
Blitz und Donner bescherten die nötigen Special-Effects. Und der Regen senkte
dann die Temperaturen sogar auf unter 30 Grad! Einzig Martin, der sich noch
einen Weg zu seinem Hotel im Tal durch das Unwetter suchen musste, war nicht
ausnahmslos begeistert von dem Wetterphänomen.Montag – Günter geht eigene Wege
Die Erlebnisse des ersten Tages gerade erst verarbeitet,
wartete bereits die nächste Herausforderung. Nicht nur die zweite Etappe,
sondern auch die Gewöhnung an die Hitze. Erstes Thema beim Frühstück war die
Hitze der Nacht. Ohne Klimaanlage auf dem Zimmer hatte der eine oder andere bei
fast 30 Grad (auch das Gewitter konnte keine wirkliche Abkühlung bringen) erst
sehr spät in den Schlaf gefunden. Und David in der Folge auch erst sehr spät
wieder aus dem Bett heraus. Als alle anderen sich schon für die Abfahrt zum
Start fertig machen wollten kam er erst zum Frühstück. Verschlafen. Anders als
am Vortag, war allerdings auch den anderen Radlern heute schon leichte
Müdigkeit anzumerken. David, der sonst nicht unbedingt für eine hektische
Gangart bekannt ist, wenn die Uhr der Zeitmessung nicht läuft, musste sich
heute also auch vor dem Startschuss schonmal beeilen. Den Stressmoment
überwunden ging's wieder geschlossen runter zur Messe. Auch die beiden
„Bruchpiloten“ des Vortages waren wieder mit an Bord. Erik mit neuen
Laufrädern, Martin trotz schwerer Rückenbeschwerden – man lässt sich ja von
keinen Unplanmäßigkeiten nicht aufhalten.
Am Start dann das „übliche“ Prozedere. Auch für die Neulinge
am zweiten Tag nicht mehr ganz so aufregend. Da schleicht sich schonmal eine
leichte Unaufmerksamkeit ein und so trat Erik beim aufsteigen Günters
Transponder ab. Eigentlich kein großes Ding, aber nach der kurzen Reparatur war
das Feld weg und Günter alleine. Und gerade heute war gemächliches Starttempo
kein Thema. Die ersten 50 Kilometer liefen flach (in diesem Fall echtes
„flach“) und das Tempo wurde hoch gehalten. Für den Zurückgefallenen keine
Chance die Lücke zu schließen, musste er sich auf sein Navi und den
heruntergeladenen Track verlassen. Mit diesem Versuch wenig erfolgreich suchte
Günter sich seinen eigenen Weg durchs Hochgebirge, während sich das Hauptfeld
bei glühender Hitze durchs wunderschöne Zimmerstal (Val di Cembra) schlängelte.
Nachdem er bereits einmal zum Zielort der Zeitmessstrecke gefahren war, wo zu
diesem Zeitpunkt jedoch noch nichts für die Fahrer vorbereitet war, „fand“
Günter das Feld nach ca. 80 Kilometern dann kurz vor Cavalese doch noch wieder.
Einige ersparte Kilometer hatte er zu diesem Zeitpunkt schon mit zusätzlichen
1.000 Höhenmetern „ausgeglichen“.
In der Zeitmessung wurde dann belegt, wie irreführend
Durchschnittsberechnungen sein können. 12 Kilometer mit durchschnittlich 4,7%
Steigung treiben keinem geübten Radfahrer Sorgenfalten auf die Stirn.
Wenn allerdings
einige nicht weiter erwähnte Gefälle-Strecken in diesem Abschnitt liegen,
geraten die verbleibenden Steigungskilometer umso steiler. So einfach ist
Mathematik – und so brutal! Der Unmut über diese „kleine Unzulänglichkeit“
verflog jedoch am Ziel der Zeitmessung umgehend, als Anna, Sandra und Jakob die
Fahrer jubelnd empfingen! Einen herzlichen Dank für die starke Unterstützung!!!
Der Weg ins Tal und zurück zur Messe verlief dann
störungsfrei. Geht doch! So standen im Ziel dann nicht Stürze und Reparatur-Vorhaben
im Vordergrund, sondern vorwiegend die Ranglisten. Spätestens beim Abendessen
war klar, jetzt waren fast alle vom Rennfieber infiziert. Wer liegt vor wem?
Welcher Gesamtrang steht zu Buche? Wo bin ich in meiner Altersklasse? Und wen
gilt es morgen zu distanzieren?
Dienstag – Verkürzte Zeitnahme, verlängerte Etappe
Der Dienstag verlief für die Hövelhofer dann endlich ohne
nennenswerte Zwischenfälle! Chapeau! Keine Unfälle, keine Defekte, alle sind
pünktlich aufgestanden und keiner ist vom Weg abgekommen! Dafür lief für den
Veranstalter nicht alles nach Plan. Für die mit über 20 Kilometern sehr lange
Zeitmessung hatte man sich mit Teilen der Anfahrt zum Passo Rolle und der
Auffahrt zum Passo Valles eine etwas zu verkehrsreiche und verkehrstechnisch
relevante Strecke ausgesucht. Die Sperrung wurde untersagt und die
Zeitmessstrecke deutlich verkürzt. Beschwerden darüber wurden jedoch nicht
laut, da die Vortage und die weiterhin glühende Hitze den Fahrern schon einiges
abverlangt hatten. Zudem wären Klagen, egal welcher Art, bei dieser
atemberaubenden Kulisse sowieso fehl am Platze gewesen.
Durch Fleimst- und
Fassatal, an den Füssen von Latemar und Rosengarten, vorbei am türkisen
Karersee– was sich anhört wie eine Dolomiten-Werbebroschüre entspricht tatsächlich einer Kurzzusammenfassung der Streckenführung. Da wurde sogar die um mehr als zehn Kilometer über Plan liegende Strecke gerne in Kauf genommen.
Nach einer langen und kräftezehrenden Etappe freuten sich
dann aber auch alle auf den anstehenden Ruhetag. Bei Wein, Pils und Weizenbier
wurde dann am Abend die erste Hälfte der Rundfahrt reflektiert. Professionelle
Ernährungspläne? Irgendwie kann und will man seine Herkunft und seinen Anspruch
dann ja doch nicht ganz verleugnen. Immerhin hat hier kein Fahrer der RSG
Hövelhof jemals eine Rennlizenz besessen oder strebt eine solche an. Also
Prost!
Mittwoch - Ruhetag
Nach ähnlichem Schema wie der Dienstagabend verläuft auch
der Mittwoch. Es ist Ruhetag. Klar, es wird mal ein Blick auf das Rad geworfen und
kleine Servicearbeiten werden vorgenommen. Dietmar kann es sogar nicht ganz
lassen und fährt „kurz“ den Mendelpass hinauf. Anna und David machen Kultur und
besuchen das nahegelegene Mountain-Museum in der Burg Sigmundskron Aber alles
in allem heißt es Pool, Füße hochlegen, Kaltgetränke und Eis genießen und
ausspannen.
Da auch die Hotelküche am Mittwoch Ruhetag hat, steht
auswärts essen an. Um lange Wege zu sparen wird eine nahegelegenen Pizzeria
ausgewählt. Bei guter italienischer Küche soll auch die Getränkekarte nicht
verachtet werden. Bei den hohen Außentemperaturen entscheiden sich Martin,
Günter und David für ein kühles Kristallweizen. Offensichtlich ein nicht ganz
gängiges Getränk in dieser Gaststätte, denn alle bekommen feinste
„Jahrgangsgetränke“ deren beste Zeit vor ein, teilweise sogar zwei Jahren
abgelaufen ist. Der Umstand kann jedoch keinen beunruhigen und sorgt so für
allgemeines Gelächter und schlussendlich sogar eine leicht reduzierte Rechnung.
Donnerstag – Der längste Tag
Nach dem verdienten Ruhetag ist vor der zweiten Rennhälfte.
Am Donnerstagmorgen geht die komplette Hövelhofer Truppe wieder etwas
ausgeruhter an den Start. Was auch dringend notwendig ist, wie sich später
zeigen soll, denn der Tag hat es in sich. Das liegt jedoch nicht nur an der
Strecke, aber dazu später mehr.
Zu Beginn steht wieder die vom ersten Tag bereits bekannte
Anfahrt durchs Eisacktal an. Diese Mal geht es jedoch noch weiter bis nach
Sterzing. Dort hat sich der Veranstalter ein kleines Bonbon ausgedacht.
Eine Durchfahrt
durch die Altstadt soll wohl etwas Aufmerksamkeit für den Giro bringen und den
Fahrern weitere Schönheiten der Region zeigen, die engen
Kopfsteinpflaster-Gassen der Altstadt von Sterzing sind für die ca. 600
Rennradfahrer jedoch nicht ideal ausgelegt.
Mit verlassen der Stadt beginnt umgehend die Zeitfahrstrecke
hoch zum Penser Joch. 16 steile Kilometer. Nach den vorhergehenden Etappen für
einige Fahrer zu viel. Absteigen und schieben ist für einige Teilnehmer jetzt
die letzte Lösung (natürlich aber nicht für die Fahrer der RSG Hövelhof!). Nach
kurzer Erholung am Pass geht es dann in die 50 Kilometer lange Abfahrt. Für
jeden Rennradfahrer eigentlich ein Traum, im eingebremsten und dicht
gestaffelten Feld jedoch Zeit höchster Konzentration. Einzelne Fahrer sehen
jedoch weniger Notwendigkeit in einer rücksichtsvollen Fahrweise und bringen so
sich und viele sicher und vernünftig fahrende Mitfahrer in Gefahr – und zum
Sturz. Bei hohem Tempo verbremst sich ein Fahrer bei einem Ausweichmanöver und
provoziert damit einen Massensturz des Feldes. Leider gibt es auch hier
Verletzte, zum Glück der RSG-Fahrer jedoch nicht in ihren Reihen.
Beim Abendessen erwähnt Erik dann, dass er noch eine
Spezial-Mission für den Abend hat, für die er sich Unterstützung wünscht.
Bereits in der Auffahrt zum Penser Joch hatte er sich „entschieden“ etwas
Abstand zum Hauptfeld zu lassen und folgte dann auch in der Abfahrt mit einigem
Abstand. Beim Versuch das Feld für die Einfahrt nach Bozen wieder einzuholen
löste sich bei einem Tastendruck sein Tacho und landete in der Böschung. Kurzes
suchen war vergeblich und um das Feld nicht ganz zu verlieren wurde der Tacho
im Berg zurückgelassen. Dieser sollte dort aber nicht die Nacht alleine
bleiben. So setzte sich nahezu die ganze Mannschaft bei einsetzender Dämmerung
nochmal in Bewegung, um den Tacho zu suchen. Da Erik noch sehr genau wusste an
welcher Stelle er das Gerät verloren hatte und 14 Augen (insbesondere Dietmars)
mehr als zwei sahen, war die Suche auch schnell wieder beendet.
Freitag – Die Ausweichetappe
Für den Freitag sollte es eigentlich nach eigener Anreise
mit dem Auto zum Fedaiapass und Pordoijoch gehen. Aus organisatorischen Gründen
wurde die Etappe jedoch verlegt und es ging wie üblich morgens in Bozen los. Um
der Rundfahrt einen würdigen Abschluss zu geben (am Samstag stand zwar noch
eine Etappe an, diese lief jedoch außerhalb der Gesamtwertung als
Mannschaftszeitfahren und auf überwiegend flachem Terrain) Ging es noch einmal
über steilste Rampen, aber auch durch schönste Landschaften in die Dolomiten.
Den Gipfel der Steilstücke erreichte eine Abfahrt die mit 35% Gefälle
beschildert war. Ob dieser Wert tatsächlich erreicht wurde, bleibt zu
bezweifeln, dass es extrem steil war jedoch nicht.
Auch diese Etappe konnten alle RSG-Starter wieder
erfolgreich beenden und zwei der sieben damit sogar den Giro delle Dolomiti
2017. August und David hatten sich bereits unterwegs entschieden, dass im am
Mannschaftszeitfahren am Samstag nicht mehr teilnehmen wollten, falls sich
andere 5 Fahrer für die RSG finden sollten bzw. die Mannschaft gar nicht an den
Start gehen würde. Benny, Dietmar, Erik, Günter und Martin konnten nicht genug
von der Rundfahrt bekommen und entschieden sich so kurzum noch für das
Mannschaftszeitfahren am Samstag zu melden.
Samstag – Mannschaftszeitfahren
Für den Samstagmorgen stand also noch das
Mannschaftszeitfahren auf dem Programm. Mit reduzierter Gruppe setzte sich die
RSG an diesem Morgen in Richtung Waltherplatz in der Altstadt von Bozen in
Bewegung.
Dort sollte die letzte Etappe gestartet werden. Der Rest der Gruppe
stärkte sich während dessen noch im Hotel, um dann an der Strecke genug Kraft
zum Anfeuern zu haben.
Hatten sich die Veranstalter mit dem Mannschaftszeitfahren
auch ein interessantes Highlight überlegt, so war die Umsetzung doch holprig.
Für die Zeitmessung sollte die Hauptverkehrsader durch das Etschtal gesperrt
werden - an einem Samstag, also dem Tag des Bettenwechsels. Die Genehmigung
dafür war dann wohl auch kurzfristig ausgeblieben und die Strecke verlegt
worden. Zu Beginn des knapp 30 Kilometer langen Zeitfahrens war die Strecke
wohl noch nicht einwandfrei ausgeschildert, so dass einige Mannschaften die
Orientierung verloren und sich verfuhren. Kein Problem für die Jungs von der
RSG.
Die Strecke wurde problemlos gefunden. Das richtige Teamtempo war dagegen
schon schwieriger herauszufinden. Da Mannschaftszeitfahren sonst nicht
regelmäßig auf dem Trainingsplan der RSG stehen, lag das Tempo bereits kurz
nach dem Start offenbar etwas zu hoch. Nach wenigen Führungswechseln und einer
ersten Kuppe war das Team bereits nur noch zu viert. Jetzt hieß es durchbeißen. Das wurde aber von Fahrer-Frauen, Fahrer-Nachwuchs und einem pausierenden Teamkollegen, die jubelnd am Streckenrand standen, deutlich erleichtert. Wie sich herausstellte, hatte die „begeisterte Menge“ jedoch auch schon ein professionelles Training hinter sich. Jubeln für die Kameras, auch ohne vorbeifahrende Rennfahrer hatte bereits im Vorfeld auf dem Programm gestanden. Der Veranstalter hatte den Fan-Anhang der RSG für Video-Aufnahmen zum Giro schon bevor die Fahrer vorbei kamen zu hollywoodreifen Aufnahmen animiert. Echtes Showbusiness.
Fazit
Mit Showbusiness hatte der Rest der Rundfahrt wenig zu tun.
Ehrliche Anstrengungen in berauschender Naturkulisse prägten den Giro. Auch die
Filmreifen „Stunts“ waren real und alle Beteiligten glücklich mit dem
Schrecken, kleinen Blessuren und bezahlbaren Materialschäden davon gekommen zu
sein.
Glücklich waren insgesamt alle Fahrer der RSG über ihre Leistungen. Ein
guter Platz in der Gesamtwertung, ein vorderer Platz in der Altersklasse, den
selbst erwählten Gegner geschlagen, alle Berge mit eigener Kraft erklommen oder
einfach dabei gewesen zu sein. Wie das jeweilige „Ziel“ auch aussah, am
Samstagnachmittag herrschte Zufriedenheit. Auch darüber am nächsten Tag mal
nicht aufs Rad zu steigen. Und Spaß? Auch wenn die Schilderungen an mancher
Stelle gar nicht nach Spaß klingen, den hatten wir allemal!
Und auch viele andere hatten offenbar Spaß mit uns. Wie oft
wurden wir angesprochen, wie groß unsere Gruppe eigentlich sei. Ständig sehe
man unsere Trikots, regelmäßig wäre man im Gespräch mit einem Hövelhofer. Viele
kannten unsere Geschichten der Anreise per Rad über mehr als 1.000 Kilometer
mit dem Rad oder die beiden gleichzeitig gestürzten Fahrer auf der ersten
Etappe, die sich bei den Niddatalern wieder getroffen haben. Vielen Dank an
dieser Stelle auch noch einmal an das Team des RSC Niddatal für die super nette
Hilfe!
Zum Schluss lässt sich festhalten: Es waren 9 Tage in
Südtirol mit sechs herrlichen Radetappen. Das Wetter hat mit durchgängigem
Sonnenschein eine trotz kleiner Optimierungsmöglichkeiten super organisierte Radrundfahrt ideal
unterstützt. Die Begleitstaffeln aus Motorrädern und PKWs während der
Rundfahrt, der Mechaniker-Service vor, während und nach den Etappen und das
Rund-um-Sorglos-Paket im Hotel Sigmundskron, mit wie immer köstlichem und auf
unsere Bedürfnisse abgestimmtem Essen, Schrauber-Möglichkeiten und tollem
Service, haben uns Fahrern eine Radsportwoche ermöglicht, in der wir uns fühlen
konnten wie die Profis. Wir werden also bestimmt wiederkommen. Ach ja, und dann
hoffentlich auch mal mit Damen-Anteil, den der ist bei der Dolomiten-Rundfahrt
mittlerweile bemerkenswert hoch!
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