Wo liegt eigentlich Kesbern? Vereinsfahrt der RSG Hövelhof 2018 ins Sauerland
Es ist ein grauer und lauer Samstagmorgen. 16. Juni, kurz
vor Sommeranfang, aber danach sieht es nicht aus. Noch ist der Ortskern von
Hövelhof etwas verschlafen – bis auf eine Vielzahl grellbunter Radfahrer, die
sich aus allen Himmelsrichtungen kommend unter dem Postturm sammeln.
Die Stimmung ist trotz der frühen Stunde schon bestens. Kein Wunder, die jährliche Vereinsfahrt der RSG Hövelhof steht bevor. Eine Art Teambuilding-Maßnahme des Vereins, denn hier steht nicht der Leistungsgedanke an erster Stelle, sondern das gemeinschaftliche Erlebnis. Und Dank dieses ungezwungenen Rahmens, haben die Fahrten unter Kennern schon einen legendären Ruf. Das will keiner verpassen! So sind auch in diesem Jahr 20 Rennradler am Start und natürlich das mittlerweile perfekt eingespielte Versorgungs-Dreamteam Ati und Ingrid.
Gepäck im Begleitfahrzeug verstauen (Hauptsponsor MECOTEC hat
uns für die Tour einen großen Bulli zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!),
letzte prüfende Blicke auf die Räder und dann noch schnell das Mannschaftsfoto
knipsen, bevor es losgeht.
Wie bestellt, bricht die Sonne durch die Wolken. Na
geht doch! Jetzt sind die Bedingungen perfekt und wir setzen uns in Bewegung.
Ganz locker rollen wir als gelb-rot-schwarze Schlange die ersten Kilometer
Richtung Südwesten. Günter hat als Chef-Navigator mal wieder einen super Track
über landschaftlich wertvolle, ruhige Nebenstraßen ausgearbeitet. Beeindruckend
mit welcher Akribie er immer wieder bis ins Detail optimierte Routen erstellt.
Noch beeindruckender ist es allerdings, wie er es in diesem Jahr geschafft hat,
hunderte von Anwohnern zu überzeugen die Strecke mit Fahnen und Dekoration in
den gelb-rot-schwarzen Vereinsfarben zu säumen! Sensationell!!! Oder hängt das
etwa mit der gerade gestarteten Fußball-WM zusammen und handelt es sich hier
letztendlich um schwarz-rot-gold? An diese absurde Überlegung wird besser kein
weiterer Gedanke verschwendet.
Die Kilometer verfliegen und es wird Zeit für die erste
Verpflegungsstation. Besser gesagt für das erste Buffet. Ingrid und Ati sind
ihrem Ruf gerecht geworden und haben im Schatten der Kirche von Herzfeld alles
aufgetischt, was das Herz begehrt - und anschließend offenbar die zweite und
dritte Verpflegungskiste ausgepackt, um das Menü in ein ausschweifendes
Festmahl zu verwandeln! Keine Frage, so etwas spricht sich herum. Während wir
zu Tee und Kaffee genüsslich belegte Brötchen, gekochte Frühstückseier,
Mettwürstchen, frische Paprika, Tomaten, Möhren und auch ein paar kakao- oder
lakritzhaltige Energiekonzentrate (andere sprechen hier vielleicht laienhaft
von Süßigkeiten...) verzehren, trifft eine zweite Gruppe Radler ein.
Offenbar
wollten sie die durchaus sehenswerte Kirche mit Park besichtigen, haben dann
jedoch nur noch Augen für unsere reichhaltige Tafel. Da genug von allem da ist,
laden wir großzügig zum Essen ein. Wir scheinen jedoch einen beängstigenden
Eindruck zu hinterlassen, zumindest wird die Einladung dankend abgelehnt.
Nach der Stärkung geht es zielstrebig Richtung Sauerland.
Die nächsten Kilometer zeigen, dass die Nachwuchsarbeit des Vereins noch
deutlich verbesserungswürdig ist. Reagieren Kinder und Eltern in Fröndenberg
noch relativ besonnen, indem durch Vollbremsungen ausreichend Abstand zu der
unbekannten Radsportgruppe gehalten wird bzw. Eltern ihre Kinder hastig von der
Straße zerren, bevor die Radler passieren, so kommt es während einer kurzen
Pause zum Eklat. Holger schockiert ein Kind durch seine hünenhafte Gestalt und
sein scheinbar angsteinflößendes Äußeres derart, dass es weinend die Flucht
ergreift.
Die Flucht ergreift auch die Reisegruppe. Nach Kesbern,
einem Stadtteil von Iserlohn. Die letzten Kilometer halten für die Radler dann
aber noch ein paar knackige Überraschungen bereit. Rampen von weit über 10
Prozent, teils 15 Prozent Steigung sind zu bezwingen, die im Einzelfall auch
schon mal zu handfesten Krämpfen führen. Günter nutzt die erzwungene Pause, um
allen die Optionen für die Weiterfahrt zu erklären. Entweder abbiegen und in 5
Kilometern zum Hotel oder auf einer kleinen Extraschleife von ca. 25 Kilometern
noch einmal 700 Höhenmeter sammeln. Für die meisten ist die Antwort klar.
Schnell ins Hotel zu den verdienten Kaltgetränken.
Günter selbst führt unsere kleine Gruppe der Kilometerjäger
auf die Extraschleife. Zu seinem Glück... So erspart er sich einige bissige
Kommentare, als die Gruppe auf dem „schnellen Weg“ ins Hotel feststellt, dass
auch ihre 5 Kilometer noch 200 Höhenmeter mit Steigungen von mehr als 15
Prozent beinhalten. Die Gruppe der „Unermüdlichen“ sammelt ihrerseits noch
sehenswerte Impressionen und Grenzerfahrungen rund um den Wixberg (Kein
Scherz!)
und in Altena. Kulturelles Highlight ist dabei der Panoramablick auf
die prachtvolle Burg von Altena. Das sportliche Highlight soll uns eigentlich erspart bleiben – das Schild „Einfahrt verboten“ hätte Warnung genug sein können. Direkt nach der Einfahrt in die kleine Stichstraße beginnt diese gefühlt senkrecht anzusteigen. Über die nächsten knapp 200 Meter zeigen die Radcomputer kaum unter, meist deutlich über 20% Steigung an! Danke für diese Erfahrung!
So haben sich nach der Ankunft in unserem Nachtquartier, dem
Gasthof Daute in Kesbern (Übrigens ein echter Geheimtipp!), dann alle Sportler
ihre kühle Erfrischung redlich verdient. Und weil die Kaltgetränke so verdient
sind, wird zügig nachgeordert. Kellner Dimitri, der im Verlaufe des Abends noch
zu unserem persönlichen Vereins-Fan werden sollte, gesteht frühzeitig, dass mit
dem großen Durst der Radler im Gasthof niemand gerechnet hatte.
Der tatkräftige
und hilfsbereite Hövelhofer lässt sich in so einer Situation natürlich nicht
zweimal bitten. Engagiert übernehmen Klaus, Uli und Erbse umgehend die Theke
des Gasthofes. Und damit nicht genug. Erbse entdeckt seine Leidenschaft für die Gastronomie und schlüpft für die nächsten Stunden auch gleich in die Rolle des Kellners.
Am nächsten Morgen geht es früh weiter. Allerdings deutlich
ruhiger und gemütlicher als wenige Stunden zuvor. Der eine oder die andere
haben wohl doch leichte Kopfschmerzen und so geht das Frühstück deutlich
geräuschloser über die Bühne, als das Abendessen. Familie Daute ist dennoch
restlos begeistert von der lebhaften und offenherzigen Radsportgruppe, bedankt
sich noch mehrfach für die abendliche Mithilfe und lädt herzlich für die
Vereinsfahrt im nächsten Jahr ein. Der großartige Rahmen macht eine Rückkehr
tatsächlich nicht unwahrscheinlich.
Jetzt geht es allerdings erstmal wieder auf die Räder. Der
Arnsberger Wald ruft! Mit verwunschenen Schluchten, durch die sich die Straßen
an der Seite naturbelassener Flüsse und entlang steiler Felsen winden.
Was für
ein Radsport-Paradies! Und auch etwas für Feinschmecker, denn auf einer kleinen
Lichtung haben die Verpflegungs-Feen mal wieder ihr Festmahl aufgebaut. Mit der
klaren Ansage, dass ordentlich zugegriffen werden soll, denn es ist noch
reichlich Auswahl da.
Mit ordentlich Rückenwind geht es in ungeahntem Tempo
Richtung Heimat. Besonders die Fußball-Fans freut der Zeitgewinn, spielt doch
die deutsche Elf am frühen Abend noch gegen Mexiko. Das will keiner verpassen.
Allerdings wollen auch nur die wenigsten das Finisher-Bier vorab im Einstein
verpassen. Um beides zu vereinen, kommt die frühe Rückkehr also sehr gelegen.
So zumindest die Einschätzung bis wir vor den geschlossenen Türen des Einsteins
stehen. Und jetzt? Jetzt geht ein großes Dankeschön an die KJG Hövelhof. Die
hat am Pfarrheim nämlich bereits eine Großbildleinwand aufgebaut und reichlich
Getränke kalt gestellt. Dann eben Pfarrheim statt Einstein. Und wie. In fast
kompletter Mann- und Frauenstärke rücken die schwarz-rot-gelben ein. Statt kurz
ein Finisher-Bier und dann zum Fußball, zeigen die RSGler auch hier ihre starke
Ausdauer. Bis zum Ende des Deutschland-Spiel sieht man die bunten Trikots noch
zwischen den anderen Gästen. Und trotz der Niederlage der Nationalelf bleibt
die Stimmung bei den Radlern bestens. Ist doch klar, nach so einem Wochenende.
Und jetzt steht auch fest: Die Fahnen am Straßenrand waren für die RSG, denn
für DEN Auftritt der Fußballer, hat wohl keiner eine Flagge gehisst.
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